GiNN/BerlinKontor.–Die CDU/CSU-Fraktion hat am 28. Oktober ihr Modell einer “privilegierten Partnerschaft” zwischen der EU und der Türkei im Deutschen Bundestag vorgestellt und erläutert. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Wolfgang SCHÄUBLE warb dafür, die Verhandlungen nicht auf eine Vollmitgliedschaft zu beschränken, sondern das Modell der CDU/CSU ausdrücklich einzubeziehen. Eine “privilegierte Partnerschaft” sei “die richtige Lösung”, so Schäuble.
Das europäische Einigungswerk sei auf die Zustimmung und das Vertrauen der Menschen in Europa angewiesen, betonte Schäuble. Ein Gefühl der Zusammengehörigkeit entstehe bei den Menschen aus “Gemeinsamkeit in Geschichte und Kultur” und aus “gemeinsamer Verantwortung für die Zukunft in einer Welt der Globalisierung”.
Der “Außenminister” der Union forderte, in der Türkei nicht den Eindruck aufrecht zu erhalten, dass die Frage einer EU-Mitgliedschaft nur in der Türkei zu entscheiden sei. Es komme auch auf die Aufnahme-Fähigkeit der Europäischen Union an. Dies ist auch Bestandteil der Beitrittskriterien, die von der EU 1993 in Kopenhagen beschlossen worden sind.
Schäuble: “Europa reicht nicht bis an die Grenzen des Irak oder Iran.”
Dir Vorsitzende von Bündnis 90/Die Grüünen, Claudia ROTH, hielt der CDU/CSU vor, die Türkei kulturell, religiös und geografisch auszugrenzen. Die EU sei keine Glaubens- sondern eine Wertegemeinschaft. Eine europäische Türkei wäre ein “weltweites Signal, dass Islam und Demokratie kein Widerspruch sind”, so Roth. Daher müsse mit der Aufnahme von Beitrittsverhandlungen ein “historisches Signal” gesetzt werden.
Auch der SPD-Außenpolitiker Gernot ERLER bezeichnete die Vollmitgliedschaft Ankaras als “im Interesse der EU und Deutschlands”.
FDP-Chef Guido WESTERWELLE führte aus, es gehe um Verhandlungen, “und nicht um einen Beitritt selbst”. Daher dürfe man nicht das Ende schon jetzt politisch vorwegnehmen. Niemand könne heute schon sagen, wie die Türkei in 15 Jahren aussehen würde – “aber auch nicht, wie sich die EU in dieser Zeit wandeln kann. Am Ende kann ein Ja, ein Nein oder auch eine privilegierte Partnerschaft stehen”, sagte Westerwelle im Bundestag.
Petra PAU, PDS im Bundestag, räumte in der Debatte ein, dass es “handfeste Gründe gibt, mit Skepsis in die Türkei zu schauen”. Die Missachtung von Bürgerrechten gehöre nach wie vor dazu, so auch “die vielfache Geringschätzung von Frauenrechten und ungelöste Konflikte mit dem kurdischen Volk.” Rot-Grün müsse “sich hüten, das klein zu reden.”
Zur privilegierte Partnerschaft der Union sprach Pau die Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion direkt an und fragte, wie diese Partnerschaft denn “praktisch aussehen” solle.
Pau: “Wenn das Modell wirklich so gut ist, wie sie meinen, Frau Merkel, warum probieren Sie es dann nicht einfach Mal aus – mit Herrn Stoiber und ihrer Schwesterpartei CSU?”
Unerwartete Schützenhilfe erhielt die Union aus Österreich.
Der SPÖ-Parteivorsitzende Alfred GUSENBAUER, der 2006 Bundeskanzler SCHÜSSEL ablösen möchte, kritisierte deutlich die EU-Beitrittsbestrebungen der Türkei.
Die Europäische Union selbst sei – so Gusenbauer – noch nicht so weit für die Erweiterung: Eine weitere Vertiefung der EU ist schon schwierig mit den 25 Mitgliedern. Aber mit dem Beitritt der Türkei ist sie endgültig zu Ende. Dann kann man das Integrationsprojekt endgültig begraben.
Europa müsse hinreichend ökonomisch und sozial gefestigt sein, was auch daran zu messen sei, ob die Maastricht-Kriterien eingehalten und ob die Arbeitslosigkeit in den Mitgliedsländern reduziert wird, sagte der SPÖ-Chef in einem Interview mit DIE ZEIT.